Abb. 1: Nahaufnahme der Messwippe des Niederschlagssensors von Davis. Rote Pfeile zeigen die beiden Schrauben zum Einstellen der Kipppunkte. Der metrische Adapter wird mit dem roten Rechteck umrandet.
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Zum Wechsel der amerikanischen "inch"- auf die europäische "mm"-Skala muss beim
Davis-Niederschlagssensor ein metrischer Adapter zwischen die beiden Träger der Messwippe geklemmt werden (siehe Abb. 1). Dies ist zwangsläufig mit einer veränderten Kippbewegung verbunden. Zum gleichen Effekt kann ein schiefer Aufbau der Wetterstation führen. Daher empfiehlt es sich, den Niederschlagssensor nach der endgültigen Montage auf seine Messgüte zu überprüfen und notfalls neu zu eichen. Dazu führt man folgenden Test durch:
Das "1-Liter-Experiment"
Idee: Bekannt sind der Durchmesser und damit der Radius des Messkübels. Durch die Formel A=r2*π (in "m2") lässt sich die Auffangfläche (A) des Trichters berechnen, über der die Wasserhöhe (h), die Niederschlagsmenge, bestimmt werden soll. Diese erhält man durch Bildung des Quotienten zwischen einer bekannten Wassermenge (in "l") und der Fläche. Nun kennt man den Sollwert (in "l/m2" oder "mm"), welcher der Niederschlagssensor nach dem Durchfliessen dieser Menge (meistens handelt es sich um 1 Liter) anzeigen müsste. Je mehr Wasser verwendet wird, umso genauer das Prüfergebnis.
Vorgehen: Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des Tests ist, wieviel Wasser durch den Trichter fliesst. Daher benutzt man einen Präzisionsmessbecher (mindestens mit einer "cl"-Auflösung). Ein solcher kann in jeder Apotheke oder Drogerie bezogen werden. Um den Messwert nicht zu verfälschen, sollte das Wasser möglichst langsam auf die Messwippe tropfen. Dazu stellt man einen Plastikbecher, in den man zuvor ein kleines Loch gestochen hat, in den Messkübel und giesst die exakt (!) abgemessene Wassermenge hinein. Damit die Verdunstung keine Rolle spielt, führt man das Experiment vorzugsweise an einem windstillen, kühlen Frühlings-/Herbsttag durch. Der Versuch dauert erfahrungsgemäss 2 Stunde für 1 Liter. Stimmt der Istwert nach dem Experiment nicht mit dem oben berechneten Sollwert überein, sollte der Sensor mit einer der folgenden Methoden neu kalibriert werden.
Kalibrierungsmethodik
Parallelmessungen: Die einfachste Methode besteht darin, die eigenen Niederschlagsmessungen mit solchen aus der näheren Umgebung zu vergleichen. Mit der Zeit lässt sich ein Koeffizient bestimmen, mit welchem die selbst erhobenen Daten korrigiert werden können. Vorausgesetzt wird natürlich, dass die benachbarte Station eine bessere Genauigkeit aufweist als die eigene. Zudem darf diese aufgrund der enormen Heterogenität des Niederschlags nicht zu weit (d.h. >1 km) entfernt sein.
Automatisch: Man legt über die Wettersoftware WsWin einen Kalibrierungsfaktor (KF) fest. Dazu wendet man die Formel KF=((Sollwert*Kippmenge)/Istwert)/Kippmenge an. Die "Kippmenge" ist jene Niederschlagsmenge, welche einer Kippbewegung der Messwippe entspricht (z.B. 0.2 mm bei der Davis). Wird der Kalibrierungsfaktor mit dem angezeigten Istwert multipliziert, erhält man den tatsächlich gefallenen Niederschlag. Gleich verhält es sich bei der Multiplikation des Faktors mit der ursprünglichen Kippmenge: Daraus resultiert ein neuer Kippwert, womit man bei der Wiederholung des 1-Liter-Experiments ein genaueres Ergebnis erzielt.
Mechanisch: Man verändert den Kipppunkt durch Anziehen/Lösen der Schrauben unter der Messwippe (vgl. Abb. 1). Je höher/tiefer die Schrauben stehen, desto früher/später entleeren sich die Kipplöffel, d.h. bei geringerer/grösserer Wassermenge. Diese Methode führt zu neuen Problemen, welche anschliessend kurz erläutert werden. Weshalb sich diese Kalibrierungsart nur für Perfektionisten eignet, wird ebenfalls preisgegeben.
Probleme bei der mechanischen Kalibrierung
Die beiden Kipplöffel sollten sich synchron entleeren; d.h. die Wassermenge, welche zur Kippbewegung führt, muss in jeder Schale gleich gross sein. Um diese Forderung zu erfüllen, kommt man nicht um eine Präzisionspipette oder -spritze (mit "ml"-Skala) herum. Es stellt sich nämlich die Frage, wie gross das Wasservolumen in einem Kipplöffel ist, bei der sich dieser in Bewegung setzt. Da sowohl der Durchmesser des Messkübels als auch die Niederschlagsmenge, welche einer Entleerung entspricht, bekannt sind, lässt sich das Volumen über die Formel V=A*h (in "ml") berechnen. Achtung: 1 l entspricht 1 dm3 (oder 0.001 ml = 1 mm3)! Mit der Pipette fügt man diese Menge in den Kipplöffel und verändert durch Schrauben entsprechend den Kipppunkt (Abb. 1). Problematisch ist, dass sich die Messwippe nicht immer gleich verhält. Bei feuchten Schalen kippt diese aufgrund der Wasserrückstände an den Löffelspitzen etwas später. Demgegenüber setzt sie sich rascher in Bewegung, wenn das Wasser zu schnell in den Trichter fliesst. In jedem Fall ist diese Pipetten-Geschichte nur etwas für Hartgesottene mit Nerven aus Stahlseilen und einem grossen Willen... Weitere Tipps und Tricks können übrigens im übersichtlichen und leicht verständlichen Bericht zur Kalibrierungsmethodik bei bernerwetter.ch gefunden werden.
Nachfolgend sind die Testergebnisse der 1-Liter-Experimente sowohl für den Davis-Niederschlagsmesskübel als auch für jenen der WS2200 aufgelistet. Die neuesten Versuche zeigten, dass die Davis eher zu viel Niederschlag misst. Aufgrund von Messausfällen konnten die Tests mit der WS2200 nicht beendet werden. Grundsätzlich empfiehlt sich infolge der grossen - leider oftmals nicht nachvollziehbaren - Variabilität der Testergebnisse die mehrmalige Wiederholung des 1-Liter-Experiments. Neue Tests erfolgen sporadisch (je nach Lust und Laune des Betreibers).
Versuch |
Davis Vantage Pro2 Plus (Soll: 47.34 mm) |
WS2200 (Soll: 75.34 mm) |
1) Oktober 2006 |
46.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.5 mm (1.1 %) |
77.2 mm bei 0.350 mm/Kippbe. |
+1.9 mm (2.5 %) |
2) Oktober 2006 |
48.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.5 mm (3.1 %) |
73.5 mm bei 0.342 mm/Kippbe. |
-1.8 mm (2.4 %) |
3) November 2006 |
49.0 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.7 mm (3.5 %) |
74.9 mm bei 0.350 mm/Kippbe. |
-0.4 mm (0.6 %) |
4) November 2006 |
46.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.5 mm (1.1 %) |
78.2 mm bei 0.354 mm/Kippbe. |
+2.9 mm (3.8 %) |
5) November 2007 |
49.6 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+2.3 mm (4.8 %) |
~74.0 mm bei 0.354 mm/Kippbe. |
-1.3 mm (1.8 %) |
6) November 2007 |
48.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.5 mm (3.1 %) |
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7) November 2008 |
52.0 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+4.7 mm (9.8 %) |
~71.5 mm bei 0.354 mm/Kippbe. |
-3.8 mm (5.1 %) |
8) November 2008 |
46.2 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-1.1 mm (2.4 %) |
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9) November 2009 |
48.6 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.3 mm (2.7 %) |
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10) November 2012 |
44.6 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-2.7 mm (5.8 %) |
zu tiefe Werte -> Schrauben nach oben gedreht |
11) November 2012 |
48.2 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+0.9 mm (1.8 %) |
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12) November 2014 |
50.4 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+3.1 mm (6.5 %) |
deutlich zu hohe Werte -> Schrauben nach unten |
13) November 2014 |
44.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-2.5 mm (5.4 %) |
nach Kalibrierung zu tiefe Werte (erste Messung bei 3 °C) |
14) November 2014 |
46.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.5 mm (1.1 %) |
zweite Messung bei 8 °C -> Temperaturabhängigkeit?! |
15) November 2015 |
ø49.2 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.9 mm (3.9 %) |
6 Messungen, Resultate zwischen 46.4 mm und 51.8 mm. Aufgrund des Windes keine Neukalibrierung möglich. |
16) 21. November 2016 |
ø43.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-3.5 mm (7.5 %) |
6 Messungen, Resultate zwischen 41.0 mm und 47.6 mm -> beide Schrauben leicht nach oben gedreht |
17) 22. November 2016 |
46.8 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.5 mm (1.1 %) |
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18) 18. November 2017 |
ø44.4 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-3.0 mm (6.3 %)
0.0 bis 5.0 °C |
4 Messungen, Resultate zwischen 43.4 mm und 45.0 mm -> rechte Schraube erhöht |
19) 18. November 2018 |
ø46.4 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.9 mm (2.0 %)
0.5 bis 3.5 °C |
insgesamt 7 Messungen mit leicht zu tiefen Werten -> wiederum rechte Schraube erhöht |
20) 17. November 2019 |
ø44.2 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-3.1 mm (6.6 %)
0.5 bis 3.0 °C |
erste 4 Messungen über dem Soll -> linke Schraube leicht abgesenkt |
21) 23. November 2020 |
ø47.4 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+0.06 mm (0.1 %)
0.0 bis 5.0 °C |
vor Justierung stark negative Abweichungen -> letztjährige Korrektur rückgängig gemacht |
22) 19. bis 21. November 2021 |
ø46.6 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
-0.77 mm (1.6 %)
1.5 bis 6.0 °C |
6 Messungen zwischen 43.8 mm und 48.0 mm -> keine Anpassungen |
23) 18. bis 20.11.2022 |
ø48.0 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+0.61 mm (1.3 %) |
4 Messungen bei rund 5 °C -> keine Korrektur |
24) 18.November 2023 |
ø47.33 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
0.00 mm (0.0 %) |
3 Messungen bei rund 4 °C (bewölkt, windstill) |
25) 16. bis 18. November 2024 |
ø48.6 mm bei 0.2 mm/Kippbe. |
+1.3 mm (2.7 %)
-0.5 bis 8.0 °C |
5 Messungen zwischen 45.2 mm und 52.2 mm -> linke Schraube vermutlich leicht zu hoch; aufgrund des Windes keine Anpassungen |
Beim Pipetten-Versuch wurde mit folgenden Grössen gerechnet:
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Radius (r) |
Fläche (A) |
Niederschlagsmenge (h) |
Wasservolumen (V) |
Davis |
82 mm |
21'124.1 mm2 |
0.2 mm/Kippbewegung |
4'224.8 mm3 = 4.2 ml |
WS2200 |
65 mm |
13'273.2 mm2 |
0.354 mm/Kippbewegung |
4'698.7 mm3 = 4.7 ml |
Abschliessende Bemerkungen zur Kalibrierung
Hat man das 1-Liter-Experiment erfolgreich abgeschlossen, kann festgestellt werden, dass die Messwippe beim Pipetten-Versuch tendenziell zu früh kippt, d.h. bereits zwischen 3.1-3.8 ml (November 2007: 3.6-4.0 ml/November 2008: 3.9-4.3 ml/November 2014: 3.5-3.9 ml) bei der Davis und bei 4.0 ml (November 2007: 4.0-4.3 ml) bei der WS2200. Rückstände von Wasser, welche trotz der Alubeschichtung an den Kipplöffeln haften bleiben, sorgen für ein chaotisches Verhalten der Messwippe. Die Aussentemperatur sollte möglicherweise auch beachtet werden. Daher ist das exakte Einstellen des Kipppunktes praktisch unmöglich, so dass die Variante mit dem Kalibrierungsfaktor vorzuziehen ist. Der Pipetten-Versuch eignet sich nur zur Überprüfung der synchronen Entleerung der beiden Schalen. Wichtig ist, dass das 1-Liter-Experiment ein befriedigendes Ergebnis liefert; und zwar möglichst zu Beginn einer Messperiode. Denn jede Neukalibrierung ist mit einer sprunghaften Inhomogenität in der Messreihe verknüpft. In jedem Fall erweist sich die Eichung des Niederschlagssensors als mühsames und zeitraubendes Sisyphus-Unterfangen. Jene des Luftdrucksensors oder des Feuchtesensors gestaltet sich einfacher (Eingabe eines "Ausgangwertes" bei WsWin) oder ist ohne geeignetes Gerät, sprich Klimakammer, schon gar nicht möglich (Bsp. UV-/Solar-/Windsensor).